„Danke für die schöne Zeit“
Auf der Jahreshauptversammlung am 22. Februar 1986, Wahl des neuen Ortsbrandmeisters-von links: Kreisbrandmeister Heinrich Buchholz, Heinrich Grünhage (Beförderung zum Hauptlöschmeister und ab 1988 bis 1998 stellvertretender Ortsbrandmeister) Leo Bönig (Ortsbrandmeister) Hermann Wiggers  (neu gewählter Ortsbrandmeister) und Harry Dudek (Gemeindebrandmeister)
Dienstende am Sonntag, 4. August 1974: Ortsbrandmeister Leo Bönig (vordere Reihe mit und blauen Diensthemd und Mütze) und stellvertretender Ortsbrandmeister Heinz- Dieter Scharringhausen (links oben im Bild) sowie Hermann Wiggers (mittlere Reihe ganz rechts).
„Der Druck ist nicht mehr da, seitdem der Meldeempfänger weg ist. Es ist jetzt ruhiger“, sagt Hermann Wiggers. Fast 45 Jahre war Wiggers aktiver Feuerwehrmann, davon fast 30 Jahre Ortsbrandmeister der Feuerwehr Rodewald. Jetzt ist der 63-Jährige in die Feuerwehrrente verabschiedet worden. Denn mit 63 ist Schluss im aktiven Feuerwehr - dienst. So sagt es das Niedersächsische Brandschutzgesetz. Sein Abschied ging unter die Haut: Wiggers und seine Frau Karin (53) wurden zu einer außerplanmäßigen Kommandositzung im Feuerwehrfahrzeug abgeholt. Als das Fahrzeug von der Dorfstraße in Richtung Feuerwehrgerätehaus abbog, standen die Jugendwehr, die Aktiven die Altersabteilung mit Fackeln und die Kinderfeuerwehr mit Fähnchen Spalier. Dann durften beide den fast 150 Meter langen Weg abschreiten. „Es war eine riesige Überraschung. Mir kamen die Tränen“, sagt Wiggers.
Seine Einsatzkleidung hat er kurz vor Weihnachten abgegeben: den orangefarbenen Schutzanzug, Handschuhe, dunkelblaue Hose und Helm. Nur den blauen Dienstanzug hat er behalten. Ob ihm der Abschied schwerfällt? Nach 30 Jahren als Chef müssten mal Jüngere ran, sagt er. „Die Jahre waren wirklich schön“, betont er. Was ihm an der Feuerwehr besonders gefällt? „Die Leute halten zusammen.“ Wiggers war erst 14,als er als junger Mann einen Großbrand miterlebte. An den Tag erinnert er sich noch genau: Es war der 31 Juli 1967. Er hatte gerade bei seinem Vater Getreide abgeladen, als am frühen Nachmittag der Blitz in den Bauernhof der Landwirtin Edelgard Heine gegenüber vom Feld einschlug. Innerhalb von Minuten stand das Haus lichterloh in Flammen. Die Feuerwehr versuchte zu ret-en, was noch zu retten war. Doch vom Hof blieb nur noch Schutt und Asche übrig. „Wie die Menschen halfen, hat mich beeindruckt. Einer muss sich auf den anderen verlassen. So was vergisst man nicht“, sagt Wiggers. Für ihn stand fest: „Ich werde auch Feuerwehrmann.“ Eine Jugendwehr gab es damals noch nicht, und so musste Wiggers warten, bis er 18 war. Der 27. März 1971, ein weiteres Datum, das Wiggers nicht vergisst: „An dem Tag wurde ich eingekleidet.“ Nicht nur die Kameradschaft, auch die Technik der Feuerwehr beeindruckte ihn. Seinen ersten Großeinsatz als Ortsbrandmeister hatte Wiggers im Februar 1987. Wilfried Frerkings Hof in Rodewald o.B. stand abends in Flammen. „Da war wieder nichts mehr zu retten.“ Am 9. August 1990 dann der nächtliche Großbrand in der ehemaligen Gaststätte Wollen- sack an der Rodewalder Hauptkreuzung. 70 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Ein Übergreifen des Feuers auf den Saal konnte zwar verhindert werden, aber die Gaststätte brannte nieder. Sie diente einer neunköpfigen Familie kurdischer Asylbewerber als Unterkunft. Sie konnte sich vor den Flammen retten. Kaum hatten zwei junge Männer, die noch vor dem Fernseher saßen, ihre Familie geweckt, da griffen die Flammen in dem Fachwerkgebäude rasend schnell um sich. 20 Ordner mit Zeitungsberichten über Einsätze der Feuerwehr Rodewald hat Wiggers ge- sammelt. Rund 15 bis 25 Einsätze im Jahr waren es. Hinzu kommen die Einsätze in Nachbarorten. Nicht selten brannten Bauernhöfe, mussten Schweine, Pferde, Ponys gerettet werden. Einmal hat Wiggers es beim Löschen mit der Angst zu tun bekommen. Er stand in einem Rapsfeld, als plötzlich eine Feuerwalze auf ihn zukam.„DasFegefeuer”   dachte Wiggers. Er und seine Kameraden konnten sich aber retten. „Noch mal gut- gegangen“, dachte er nur. Überhaupt habe er immer Glück gehabt bei den Einsätzen – bis auf einen Unfall. Es war der 30. Oktober 2013. Der Orkan Christian wütete. Wiggers war gerade vom Einsatz zurückgekehrt, als er in der Nähe des Feuerwehrhauses von einem herabfallenden Ast getroffen wurde. „Mein Helm war mein Schutzengel“, sagt er. Er sprang noch zur Seite, wurde aber am Fuß verletzt. 65 Aktive gehören der Wehr heute an. Die Einsätze tagsüber werden immer schwieriger. „In den 70ern waren noch viele Feuerwehrleute Landwirt und Handwerker im Ort. Heute arbeiten fast alle in Hannover bei VW, Conti oder auf dem Flughafen. Es wird nicht einfacher“, weiß er. Wiggers selbst arbeitete ebenfalls auswärts. Der Bankkaufmann arbeitete bis zu seinem Vorruhestand im Jahr 2012 bei der Volksbank Hannover in Niedernstöcken. In seiner Zeit als junger Feuerwehrmann rückte die Wehr hauptsächlich zu Bränden aus.„In den 70ern ging der Feuerteufel rum. Da brennt es laufend.“ Heute überwiegen die Hilfeleistungen. Dass allerdings die Feuerwehr nicht immer gleich gerufen werden muss, machte er einmal einem Anrufer deutlich. Eine Katze sollte aus einem Baum geholt werden.„Willst du wirklich 850 Mark für den Einsatz zahlen?“, hatte Wiggers gefragt und fügte hinzu:„So wie die Katze in den Baum gekommen ist, so kommt sie auch wieder runter.“ Einige Einsätze belasten die Feuerwehrleute stark. So muss Wiggers noch immer an einen Einsatz im Jahr 2002 denken, bei dem ein Feuerwehrmann ums Leben kam. „Dann ist der Seelsorger wichtig. Wenn man miteinander redet, geht es raus der Seele.“ Dass Feuerwehrmänner über ihre schlimmen Erlebnisse reden, sei früher nicht der Fall gewesen. „Das hat sich zum Glück verbessert.“ Insgeheim sei er froh, dass er nicht bei dem ICE-Unfall am 3. Juni 1988 in Eschede im Einsatz sein musste, sagt er. 101 Menschen kamen ums Leben, 88 wurden schwer verletzt. „Wir wurden zu einem anderen Einsatz gerufen und alle anderen kamen uns entgegen.“ Unvergessen auch die drei Kreisjugendfeuerwehrzeltlager in Rodewald, die seine Feuer- wehr ausgerichtet hat: 1993 gab es das erste mit 700 Teilnehmern, 2000 das zweite und 2008 das dritte mit schon 1300 Teilnehmern. Seit 1972 veranstaltet die Wehr Rodewald auch Blutspendetermine. 109 mit 10 585 Blutspenden waren es bis jetzt. Sein 30-jährige Sohn ist nicht in Vaters Fußstapfen gegangen.„Der hat mitgekriegt, wie es ist, in der Feuerwehr zu sein“, sagt Wiggers. An Brandgeruch hatte Wiggers sich zwar gewöhnt. „Die Kleidung kam nach dem Einsatz gleich in die Waschmaschine.“ Zigarettenqualm während der Feuerwehrversammlungen war für den Nichtraucher hingegen ein Graus. „Das ist zum Glück heute vorbei.“ Zwölf Mitglieder hat die Altersabteilung. „Da gehe ich nun rein.“ Langeweile wird er nicht haben. Schließlich ist er auch im Kirchenvorstand aktiv und betreut Flüchtlinge in Rodewald.„Danke für die schöne Zeit“, sagt Wiggers. Und Dankeschön an die gesamte Wehr für den hervorragenden Verabschiedungsabend, den ich nicht vergessen werde.“
Freiwillige Feuerwehr Rodewald